Gesetzentwurf | Entschädigung für Hinterbliebene geplant

Zusammenfassung:

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat laut der Bundesrechtsanwaltskammer einen Gesetzentwurf vorgelegt. Erstmals soll geregelt werden, dass Hinterbliebene im Falle der Tötung eines ihnen besonders nahe stehenden Menschen für das ihnen entstandene seelische Leid entschädigt werden sollen. Die Entschädigung soll nach dem Gesetzentwurf derjenige leisten, der den Todeseintritt zu verantworten hat. Hierfür sind Änderungen im BGB, AMG, GenTG, EGBGB, ProdHaftG, UmweltHG, AtG, StVG, HaftPflG, LuftVG und des LuftRAAbkDG vorgesehen.

Die bisherige Regelung:

Nahen Angehörige und Personen, die dem durch Fremdverursachung getöteten Menschen sehr nahe standen, hatten bislang nur sehr eingeschränkt Ansprüche auf Schmerzensgeld gegen den für den Todeseintritt Verantwortlichen. Erfasst von einem solchen Schmerzensgeldanspruch waren die sogenannten Schockschäden. Diese fanden ihre Grundlage in § 823 Abs. 1 BGB. Die Voraussetzung für die Annahme eines Schockschadens war jedoch hoch. Erforderlich war eine traumatische Auswirkung von einiger Dauer.  Selbst eine ausgeprägte depressive Stimmungslage müsse  laut dem OLG Hamm nicht ausreichen. Die durch den Tod eines nahen angehörigen tief  empfundene Trauer und der hieraus resultierende Schmerz musste zum einen medizinisch fassbar sein und darüber hinaus über eine gesundheitliche Beeinträchtigung hinausgehen, die der Tod eines nahen Angehörigen typischerweise mit sich bringt. Diese Hürde war regelmäßig schwer zu nehmen. Noch im Februar 2015 stellte der Bundesgerichtshof diese Voraussetzung wie folgt dar und nahm dabei Bezug auf zahlreiche weitere höchstrichterliche Rechtsprechung und Kommentarliteratur:

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats können psychische Beeinträchtigungen wie Trauer und Schmerz beim Tod oder bei schweren Verletzungen naher Angehöriger, mögen sie auch für die körperliche Befindlichkeit medizinisch relevant sein, nur dann als Gesundheitsbeschädigung iSd § 823 I BGB angesehen werden, wenn sie pathologisch fassbar sind und über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehen, denen Hintlick:erbliebene bei der Benachrichtigung von dem Unfall eines nahen Angehörigen oder dem Miterleben eines solchen Unfalls erfahrungsgemäß ausgesetzt sind
(BGH Urteil v. 10.02.2015 – VI ZR 8/14).

Neben den Schockschäden hatten die Hinterbliebenen zwar auch Anspruch auf Ersatz von Beerdigungskosten, entgangenen Unterhalt und entgangener Dienste.  Eigene weitergehende Schmerzensgeldansprüche hatten die Hinterbliebenen nicht. Dies soll sich durch den Gesetzentwurf ändern.

Die beabsichtigte neue Regelung:

Zunächst ist festzuhalten, dass die bisherige (alte) Regelung nicht wegfällt. Sie bleibt bestehen. Wer die Voraussetzungen erfüllt, kann sich auf sie berufen. Für den Fall, dass sowohl die Voraussetzungen eines Schockschadens als auch die Voraussetzungen des Hinterbliebenengeldes bestehen, sieht das neue Gesetz vor, dass die neue Regelung in der alten aufgeht. Neu wird sein, dass Hinterbliebene von demjenigen, der für den Tod des nahestehenden Menschen verantwortlich ist, eine Entschädigung ihres seelischen Leids verlangen können. Ebenfalls neu ist, dass diese Entschädigung unabhängig vom Vorliegen einer Verschuldens- oder Gefährdungshaftung gewährt wird. Die aber wohl praxisrelevanteste Änderung dürfte darin zu sehen sein, dass zukünftig den Betroffenen, unabhängig vom Nachweis einer medizinisch fassbaren Gesundheitsbeeinträchtigung, eine angemessene Entschädigung in Geld gewährt werden soll. Die durch Tötung eines nahestehenden Menschen erlittene Trauer und das hiermit verbundene seelische Leid sind damit nicht weiterhin als ein entschädigungslos hinzunehmendes Schicksal anzusehen.

Die entsprechende Regelung nutzt dabei in den meisten der zu ändernden Gesetze den immer gleichen Wortlaut:

Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.

Die neue Regelung hat erkannt, dass die bisherigen Ersatzansprüche nur dem unmittelbar Geschädigten selbst zustehen. Nur ausnahmsweise waren auch mittelbar Betroffene (die Angehörigen und nahestehenden Personen) geschützt. Dabei konnten sie in der Regel nur den Ersatz materieller Schäden (s.o. Beerdigungskosten, etc.) ersetzt verlangen. Nur in seltenen Fällen wurden auch die beschriebenen Schockschäden ersetzt.

Ausblick:

Der Gesetzentwurf ist zu begrüßen. Er trägt dem Umstand Rechnung, dass der durch Fremdverursachung herbeigeführte Tod eines nahestehenden Menschen eine besondere Art des Verlustes darstellt. Gerade die Fremdverursachung dürfte bei den Hinterbliebenen das empfundene Leid und die Trauer steigern. Wie auch dem Schmerzensgeld soll dem Hinterbliebenengeld eine Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion zukommen. Es wird dabei Aufgabe der Rechtsprechung sein, zu ermitteln, was jeweils im konkreten Einzelfall eine „angemessene Entschädigung in Geld“ sein wird. Anhand welcher Kriterien die Rechtsprechung diese Bestimmung vornehmen wird, bleibt abzuwarten. Körperlicher Schmerz infolge von körperlichen Beeinträchtigungen und seelisches Leid infolge des Verlustes nahestehender Personen dürften dabei nur begrenzt vergleichbar sein. Es wird spannend zu beobachten sein, welche Fallgruppen die Rechtsprechung bilden wird. Ebenfalls interessant dürfte zu beobachten sein, in welcher Höhe die Rechtsprechung eine angemessene Entschädigung in Geld anerkennen wird und mit welcher Art von Verletzungen des Körpers diese Entschädigungen korrespondieren werden. Den Hinterbliebenen ist zu wünschen, dass die Antwort der Rechtsprechung auf diese Fragen nicht allzu restriktiv ausfallen wird.

Bengt Langer
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2 thoughts on “Gesetzentwurf | Entschädigung für Hinterbliebene geplant

  1. Bengt says:

    Brigitte, haben Sie vielen Dank für diese Frage. Vorweg muss ich sagen, dass ich eine Rechtsberatung auf dieser Seite nicht vornehmen kann und auch nicht vornehmen darf.

    Ich würde die Frage aber dahingehend beantworten wollen, dass der Gesetzesentwurf – und mehr als ein Entwurf ist es bis jetzt nicht – keine Rückwirkung auf Altfälle vorsieht.

    Aber auch selbst dann, wenn man eine Rückwirkung annehmen wollte, wäre zu befürchten, dass ein in 2009 entstandener Anspruch mittlerweile aufgrund eingetretener Verjährung nicht mehr durchsetzbar wäre.

    Gegebenenfalls sollten Sie meine Einschätzung durch Einholung professionellen Rechtsrates, also durch einen zugelassenen Rechtsanwalt, prüfen lassen.

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