BGH Entscheidung zu Dashcam Aufzeichnungen

BGH Entscheidung zu Dashcams

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied, dass trotz eines Verstoßes gegen seinerzeit geltendes Datenschutzrecht Aufzeichnungen einer sogenannten Dashcam als Beweismittel zulässig sein können. Dies ist das Ergebnis einer in jedem Einzelfall vorzunehmenden Abwägung. In dem zu entscheidenden Fall fiel diese Abwägung zugunsten des Klägers aus.

Sind Dashcams als Beweismittel zulässig?

Dashcam-Aufnahmen, die während der Fahrt mit dem Auto aufgenommen wurden und auf Plattformen wie YouTube zur Schau gestellt werden, kennt inzwischen jeder. Gegenstand dieser Aufzeichnungen sind spektakuläre Gefahrensituationen und Unfälle die sich irgendwo auf der Welt zugetragen haben. Fraglich und examensrelevant – zumindest für die mündliche Prüfung – dürfte die Frage sein, ob Aufzeichnungen von Dashcams vor den Gerichten als Beweismittel zulässig sind. Diese Frage hat der BGH jüngst entschieden. Die Pressemitteilung des BGH vom 15.05.2018 verschafft einen sehr schönen und knappen Überblick über die Entscheidungsgründe. 

Verwertbarkeit der Dashcam-Aufzeichnung ist eine Frage der Abwägung

Sowohl das Amtsgericht in 1. Instanz als auch das Landgericht als Berufungsgericht lehnten eine Verwertbarkeit der Dashcam-Aufzeichnungen ab. Erst der BGH entschied nach einer Abwägung zugunsten des Klägers. Die Aufnahmen seiner Dashcam waren demnach als Beweismittel zulässig. Das Urteil des Berufungsgerichts wurde vom BGH aufgehoben. Es hat in der Sache neu zu verhandeln.

Verwertbarkeit trotz Verstoß gegen den Datenschutz

Der BGH entschied, dass die mit der Dashcam gemachten Aufzeichnungen einen Verstoß gegen seinerzeit geltendes Datenschutzrecht darstellte. Relevante datenschutzrechtliche Regelungen waren die §§ 4, 6b Abs. 1 und 28 Abs. 1 BDSG. Es fehlte zum einen an der Einwilligung des anderen Unfallbeteiligten in die Videoaufzeichnung. Die Aufzeichnung des Unfalls konnte auch nicht auf ein berechtigtes Interesse des Klägers gestützt werden. Zumindest die permanente Aufnahme während der gesamten Fahrt kann ein Beweissicherungsinteresse nicht begründen. Dies vor allem deswegen nicht, weil technische Möglichkeiten bestehen, nur eine anlassbezogene – also unfallbezogene – Situation zu speichern. Eine dieser technischen Maßnahmen könnte etwa das permanente Überspielen der Aufzeichnung in kurzen Abständen sein.

Trotz des Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Regelungen ist die Dashcam-Aufzeichnung als Beweismittel verwertbar. Der Verstoß führt nicht automatisch zu einem Beweisverwertungsverbot. Dies ist das Ergebnis einer in jedem Einzelfall vorzunehmenden Interessen- und Güterabwägung.

Argumente der Abwägung

Das Interesse des Klägers an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche, seinem grundgesetzlich gewährten Anspruch auf rechtliches Gehör sowie dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege  überwiegen die Interessen des Beklagten.

Das Interesse des Beklagten besteht in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und ggf. als Recht am eigenen Bild. Das Beklagteninteresse trat in dem vom BGH zu entscheidenden Fall hinter die Interessen des Klägers zurück.

Der Beklagte hat sich freiwillig in den öffentlichen Verkehrsraum begeben. Dort stand er unter der Beobachtung aller anderen Verkehrsteilnehmer. Die Dashcam zeichnete lediglich das auf, was jeder andere Verkehrsteilnehmer selbst auch hatte wahrnehmen können. Das Datenschutzrecht ist nicht darauf ausgerichtet, zu einem Beweisverwertungsverbot zu führen. Deswegen führt auch ein möglicher Eingriff in das allgemeiner Persönlichkeitsrecht anderer mitgefilmter Verkehrsteilnehmer nicht zu einer anderen Gewichtung. Ihre Interessen sind durch das Datenschutzrecht hinreichend geschützt.

Für das Interesse des Klägers spricht außerdem § 142 StGB. Danach muss ein Unfallbeteiligter ohnehin die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und die Art seiner Beteiligung ermöglichen. Auch § 34 StVO bestimmt Pflichten der am Unfall Beteiligten. So haben sie auf Verlangen anderen am Unfall Beteiligten und Geschädigten beispielsweise ihren Namen und ihre Anschrift anzugeben sowie den eigenen Führerschein und Fahrzeugschein vorzuweisen.

Ausblick

Auch nach den Regelungen der DSGVO und des neuen BDSG dürfte sich an dieser Beurteilung zukünftig nichts ändern. Ob Dashcam-Aufzeichnungen als Beweismittel zulässig sind, dürfte auch zukünftig durch eine Abwägung im konkreten Einzelfall zu bestimmen sein. Zumindest dann, wenn die Feststellungen eines Sachverständigen nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führen, die Aufzeichnung der Dashcam hingegen den Unfallhergang dokumentiert hat, dürften solche Aufzeichnungen auch zukünftig als Beweismittel verwendet werden können.

Gerade mit Blick auf das derzeit ohnehin aktuelle Thema Datenschutz (DSGVO) bietet sich diese Thematik als Thema für eine mündliche Examensprüfung an. Zum einen können die Kandidaten ihr juristisches Handwerkszeug an den für sie vermeintlich unbekannten Vorschriften des Datenschutzes demonstrieren. Zum anderen kann die Thematik rund um die Beweismittel, die Beweiserhebung und die Beweisverwertung abgeprüft werden. Außerdem kann dieser Fall sowohl aus Sicht eines Richters als auch aus der Perspektive eines Rechtsanwalts behandelt werden.

Bengt Langer
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