Aufzeichnung einer Dashcam als Beweis verwertbar

Aufzeichnung einer Dashcam als Beweis verwertbar:

Gute Nachrichten für Autofahrer. Aufzeichnungen einer sogenannten Dashcam dürfen verwendet werden, um den tatsächlichen Unfallhergang zu beweisen. Dies gilt zumindest dann, wenn andere Beweismittel nicht zu einem eindeutigen Ergebnis gelangen. Dies ist einer Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 07.09.2017 zu entnehmen. Das OLG folgt in seinem Hinweisbeschluss vom 10.08.2017 der Entscheidung des Landgerichts Regensburg. Dieses hatte in 1. Instanz bereits durch Endurteil vom 28.03.2017 entschieden, dass die Aufzeichnungen einer Dashcam als Beweismittel verwertbar sind. Die Klage wurde daraufhin vom Kläger zurückgenommen.

Der Sachverhalt:

Der Kläger war Fahrer und Halter eines PKW, die Beklagte Halterin eines LKW. In dem LKW der Beklagten war eine Dashcam installiert. Der Kläger und der Fahrer des LKW der Beklagten befuhren die A5. Der LKW-Fahrer fuhr dem Kläger hinten auf, wodurch das Fahrzeug des Klägers beschädigt wurde. Die Daschcam zeichnete den Unfallvorgang auf.

Der Kläger behauptete, er habe verkehrsbedingt abgebremst. Der LKW-Fahrer sei zu schnell gefahren und habe den erforderlichen Abstand nicht eingehalten. Das habe zu dem Unfall geführt. Die Beklagte behauptete dagegen, der Kläger habe seinen PKW von der linken über die mittlere auf die rechte Fahrbahnspur gelenkt. Dort habe er dann abrupt bis zum Stillstand gebremst. Der Auffahrunfall sei deswegen auch trotz sofortiger Reaktion des LKW-Fahrers unvermeidbar gewesen.

Das Landgericht holte ein Sachverständigengutachten zur Frage des Unfallhergangs ein. Allein anhand der Aufzeichnung der Dashcam konnte der Vortrag des LKW-Fahrers bestätigt werden. Ohne Verwertung der Bilder – so der Sachverständige – hätte er nicht feststellen können, welcher der geschilderten Unfallhergänge richtig sei.

Der Kläger machte einen Schadensersatzanspruch geltend. Er verlangte Zahlung in Höhe von 14.941,77 €. Er berief sich darauf, dass er durch die Dashcam-Aufzeichnungen in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei. Die Aufzeichnungen hätten aus diesem Grunde schon nicht verwertet werden dürfen.

Das Landgericht wies die Klage ab. Zur Begründung stützte es sich auf das Sachverständigengutachten, welches nur aufgrund der Auswertung der Aufzeichnungen zu einer eindeutigen Feststellung gelangte.

Die Entscheidung des Gerichts:

Verwertung von Aufzeichnungen einer Dashcam als Beweismittel zulässig:

Das OLG setzte sich in seinem Hinweisbeschluss mit dem Endurteil des LG Regensburg auseinander. Danach hat das Landgericht die Aufzeichnungen der Dashcam zu Recht seiner Entscheidung zugrunde gelegt.

Ob Aufzeichnungen einer Dashcam verwertbar sind, sei in jedem Einzelfall zu prüfen. Dabei sei eine Interessen- und Güterabwägung vorzunehmen. Im Rahmen dieser Güterabwägung hätten die Interessen des Klägers aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, dem Kunsturheberrecht oder auch dem Datenschutzrecht hinter die Interessen der Beklagten zurückzutreten. Das Interesse der Beklagten aufgrund einer unwahren Behauptung zu Unrecht verurteilt zu werden, überwiegt das Interesse des Klägers.

Weder werde in die Intim- oder Privatsphäre des Klägers eingegriffen, noch stünden datenschutzrechtlichen Gründe einer Verwertung entgegen. Auch bei letzteren wäre eine Güterabwägung vorzunehmen, die aber zu keinem anderen Ergebnis führe. Auch das Kunsturheberrecht führt nicht zu einem Verwertungsverbot. Es sei bereits schon kein Bildnis des Klägers entstanden, da dieser allenfalls schemenhaft abgebildet worden sei.

Nach dieser Interessenabwägung – so das OLG – seien die Aufzeichnungen einer Dashcam zumindest dann zu Beweiszwecken verwertbar, wenn ohne sie keine eindeutigen Feststellungen zum konkreten Unfallhergang getroffen werden können.

Anmerkungen zu dieser Entscheidung:

„Wenn es hinten knallt, der Hintermann bezahlt.“ Diese Faustregel ist Ausdruck des im Verkehrsrecht häufig anzufindenden Anscheinsbeweises. Der Anscheinsbeweis besagt: Wer einem anderen Verkehrsteilnehmer hinten auffährt, der hat entweder zu wenig Abstand zum Vorausfahrenden gehalten, fuhr unaufmerksam und/oder zu schnell. Das Gegenteil muss vom Auffahrenden dann bewiesen werden. Er hat dann zu beweisen, das der Vorausfahrende entweder grundlos stark gebremst hat, die Fahrtrichtung ohne den Blinker zu setzen gewechselt oder ähnliches atypisches Verhalten an den Tag gelegt hat. Den Beweis dieses atypischen Verhaltens des Vordermannes zu führen bereitet jedoch regelmäßig Probleme.

Sollte es sich durchsetzen, dass Aufzeichnungen von Dashcams mangels anderer zur Verfügung stehender Beweismittel zu Beweiszwecken verwertet werden können, so dürfte der Beweis atypischen Verhaltens des Vordermannes in zahlreichen Fällen leichter zu führen sein. Auch provozierte Auffahrunfälle – etwa zur Begehung eines Versicherungsbetruges – dürften in einem Szenario rückläufig sein.

Das OLG Nürnberg scheint neben dem OLG Stuttgart erst das zweite Instanzgericht zu sein, dass sich mit der Verwertbarkeit von Dashcamaufzeichnungen und deren Verwertbarkeit befasst hat. Eine Rechtsprechung des BGH gibt es nach diesseitiger Kenntnis bislang nicht. Darauf wies auch das OLG Stuttgart hin, wie sich einer Quelle von beck-online entnehmen lässt. Der Bundesgerichtshof mag die Frage der Verwertbarkeit anders beurteilen. Die hier gezeigte Konstellation aber scheint sachgerecht. In Fällen, in denen allein die Aufzeichnung einer Dashcam den Unfallhergang zweifelsfrei beweisen kann, sollte eine Interessenabwägung wie hier dargestellt vorgenommen werden. Das Ergebnis erscheint dann ebenfalls sachgerecht zu sein. Die vergleichsweise geringfügigen Eingriffe in die Rechte des von der Kamera Aufgezeichneten sollten im Interesse der Wahrheitsfindung und des ansonsten möglicherweise aufgrund einer unwahren Behauptung zu Unrecht Verurteilten zurücktreten.

Es wird abzuwarten sein, wie eines Tages der Bundesgerichtshof in dieser Frage entscheiden wird. Zwei Oberlandesgerichte haben mit nachvollziehbarer und guter Begründung vorgelegt, wie es richtig sein könnte. Es ist im Sinne der Unfallbeteiligten zu hoffen, dass der BGH diesen Auffassungen folgen wird.

Bengt Langer
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